Den nächsten Monat wird es hier im Blog ausschließlich Beiträge über Autorinnen und ihre Bücher geben.
Warum?
Weil Literatur immer noch eine Männerdomäne ist. Zwar sind die Zeiten zum Glück vorbei, in denen es für Frauen als unschicklich galt, zu schreiben. Trotzdem finden Autorinnen im Literaturbetrieb immer noch weniger Anerkennung, als ihre Kollegen.
Das beginnt damit, dass Bücher, die von Frauen geschrieben wurden, signifikant seltener im Schulunterricht verwendet werden*.
Das ist um so bemerkenswerter, weil der Kinder- und Jugendbuchsektor zu den Bereichen gehört, in denen Frauen dominieren. So tauchen in der Liste „Empfehlenswerte deutsche Kinder- und Jugendbuchautoren“ bei Lovelybooks vorwiegend Autorinnen auf. Interessanterweise schlägt sich das aber nicht in den Unterrichtsempfehlungen nieder. So hat die ebenfalls bei Lovelybooks geführte Liste „Die beliebtesten Schullektüren“ praktisch keine Überschneidungen mit der zuvor genannten.
Es setzt sich damit fort, dass von Männern geschriebene Bücher deutlich öfter rezensiert werden. Die Zahlen schwanken je nach Magazin und Land, sind jedoch immer zu Gunsten der Autoren, wie z. B. Nina George im Börsenblatt feststellte.
Das doppelt spannend, weil es immer wieder heißt, dass die Mehrzahl der Bücher von Frauen gelesen und gekauft würden, und dass Frauen Protagonistinnen wünschten, Männer aber vor allem für und über Männer schrieben.
Schließlich werden auch Literaturpreise signifikant häufiger an Männer vergeben.
Mehr Beispiele gefällig? Dann empfehle ich das Interview von Janet Clark bei Literaturschock.
Vielleicht schreiben Männer einfach besser?
Vielleicht tun sie das. Aber warum werden dann im Bereich Kinder- und Jugendbuch vorwiegend Autorinnen empfohlen? Und warum schafft es praktisch keine dieser Autorinnen in den Schulunterricht? Weil die Lesergemeinde zu dumm ist und nur die Schulbehörde den Durchblick hat?
Ich bin inzwischen der Meinung, dass das Problem die unterschiedliche Sichtweise auf Männer und Frauen ist. Wenn Charlotte Roche über Intimrasur und Pickel am Po berichtet, ist das „Schweinkram“, über den man sich selbst dann trefflich echauffieren kann, wenn man Schoßgebete nicht gelesen hat. Dagegen schrieb Günter Grass natürlich hohe Literatur – auch das weiß man, ohne es je gelesen zu haben und deshalb hinterfragt auch niemand, was daran literarisch ist, wenn Mädchen wichsende Jungen und ihr schäumendes Sperma bewundern (Katz und Maus).
Das ist natürlich ein sehr krasses Beispiel. Aber ich habe ganz allgemein den Eindruck, dass Männerphantasien akzeptierter sind als ein allzu weiblicher Blick auf den eigenen Körper. Der Mann ist die Norm, die Frau immer noch Das andere Geschlecht und wehe, ihre Weltsicht stimmt nicht mit seiner überein. In diesem Fall setzen fast automatisch Abwehrmechanismen ein, die den Status quo sichern sollen.**
Ein Monat nur Autorinnen, diskriminiert das nicht die Männer?
Bitte was? Wenn du das ernsthaft meinst, solltest du dir vielleicht noch mal das unter der Überschrift „Warum?“ Gesagte durchlesen. Fakt ist, dass das derzeitige System ganz klar Autoren bevorzugt. Anders gesagt: selbst wenn ich einen Monat nur über Autorinnen schreibe, ist das bestenfalls ein schwacher Ausgleich des herrschenden Ungleichgewichts. Deshalb möchte ich mit einem Zitat von Sven Hensel schließen, der die Aktion Autorinnenzeit ins Leben gerufen hat:
Es wird Zeit, sich solidarisch zu zeigen, gemeinsam für die Vielseitigkeit des Literaturbetriebes einzutreten, anzuerkennen, dass auch Frauen tolle Arbeit leisten und das Scheinwerferlicht zu teilen. Die literarische Bühne bietet uns allen Platz!

*Die Lektüreliste für Gymnasien des Landes Baden-Württemberg nennt beispielsweise 236 deutschsprachige Werke, die „im Unterricht gewinnbringend gelesen werden können“. Von diesen 236 Werken stammen 216 von Männern und nur 20 von Frauen. Quelle: hier.
**Das Gleiche lässt sich zum Thema Rassismus feststellen. Auch hier gilt: Wer selbst in einer privilegierten Stellung ist und die als Norm setzt, wird blind für die eigene Ungerechtigkeit. So jemand wird jede Form der Kritik als ungerecht und Gefahr für die eigene Position und Stellung empfinden.